Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen

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Titel
Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, dritter Teil: Die Landschaften und Landstädte. Dritter Band. Die allgemeinen Rechtsquellen des Rheintals, drei Teilbände, bearbeitet von Werner Kuster.


Herausgeber
Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins
Reihe
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen
Erschienen
Basel 2018: Schwabe Verlag
Anzahl Seiten
1417 S.
von
Alois Niederstätter

Für den mit ausgezeichneten Quelleneditionen ohnehin reich gesegneten Kanton St. Gallen steht der Forschung mit den allgemeinen Rechtsquellen des Rheintals nunmehr eine weitere vom Umfang wie vom Inhalt her gewichtige Sammlung zur Verfügung. Das Editionsgebiet umfasst im Wesentlichen das Gebiet der ehemaligen Landvogtei Rheintal – seit 1490 eine gemeine Herrschaft der eidgenössischen Orte – bzw. des 1803 in den Kanton St. Gallen eingegliederten Distrikts Rheintal mit den heutigen politischen Gemeinden Rüthi, Oberriet, Eichberg, Altstätten, Marbach, Rebstein, Balgach, Diepoldsau, Widnau, Berneck, Au, St. Margrethen, Rheineck und Thal. Es handelt sich in herrschaftlicher Hinsicht um eine bis zum Übergang an die eidgenössischen Orte kleinräumig gegliederte Landschaft, die trotz rasch wechselnder Verhältnisse von der starken Position des Abts von St. Gallen geprägt war. Zudem geriet sie von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an in den Sog des habsburgisch-eidgenössischen Antagonismus. An Krisenszenarien mangelte es auch später nicht. Sie waren unter anderem Folge der Reformation, die aus dem Rheintal eine gemischtkonfessionelle Region machte.

Werner Kuster führt zunächst kenntnisreich in die allgemeine, die Herrschafts- und Verwaltungsgeschichte der einzelnen Sprengel des Untersuchungsraums ein, schildert in weiterer Folge die Strukturen während der Landvogteizeit, die Zuständigkeiten der Amtsträger (Landvogt, Landschreiber, Landvogtsammann, Quartierhauptleute, Scharfrichter, Amtleute für den Rebbau), die lokalen Instanzen und ihr Personal (Ammann, Rat, Richter, Älteste, Gemeindegutsbehörden, Weibel, Hofschreiber, Säckelmeister, Vormundschaftswesen, Förster und Bannwarte, Weinlaufbehörde, Nachtwache, Gemeindeversammlung, Rhoden), die kirchlichen Verhältnisse und vor allem das Gerichtswesen. Im ersten Teilband finden sich nach den einleitenden Kapiteln, dem Stücke-, Literatur- und Abkürzungsverzeichnis sowie einer Liste der eidgenössischen Landvögte im Rheintal die mehr als 500 Seiten zählenden Register: Personenregister, Ortsregister sowie das hauptsächlich Quellenbegriffe, aber auch moderne Begriffe bietende Sachregister und Glossar. Sie erschliessen die beiden Quellenteilbände auf mustergültige Weise.

Gemäss den Regularien für die Edition Schweizerischer Rechtsquellen enthalten die beiden weiteren Teilbände zunächst das «traditionelle Verfassungsrecht», aber auch «andere rechtsrelevante Überlieferungen wie Urbare und Rödel, Gerichtsprotokolle, Rechnungsdokumente usw. [...], die für verschiedene aktuelle Richtungen der historischen Forschung von Bedeutung sein können» (S. 48f.). Dementsprechend breit ist das Spektrum der in chronologischer Folge gebotenen Texte. Es reicht von der Kaiserurkunde bis zum Gemeindestierservitut, vom Hofrecht bis zur Fischerordnung, vom Vertrag zwischen den eidgenössischen Orten und dem Abt von St. Gallen über die Hochgerichtsbarkeit zu Kriessern bis zur Bernecker Feuerlöschordnung. Der zeitliche Rahmen erstreckt sich von den Anfängen der Schriftlichkeit bis zum Jahr 1798, dem Ende des Ancien Régime. Quellen ab 1415 werden im Volltext wiedergegeben, ältere sind mit Verweis auf das Chartularium Sangallense als Regesten erfasst. Das gilt auch für die vorangestellte Sammlung von Ersterwähnungen und von herrschaftsrelevanten Daten. Die Editionsgrundsätze entsprechen den längst bewährten des Gesamtunternehmens, sie garantieren – zusammen mit der hervorragenden Sachkenntnis des Bearbeiters – die gewohnt hohe Qualität des Produkts.

Für die regionale Geschichtsforschung sind die Allgemeinen Rechtsquellen des Rheintals mehr als ein Meilenstein, indem sie auf sehr lange Sicht – dank der Drucklegung quasi mit «Ewigkeitswert» – auf solider Basis einen enormen Fundus an Materialien bieten, die neben der Rechts- und Verfassungsgeschichte insbesondere auch Fragen der Wirtschafts-, der Sozial-, der Alltags- oder der Mentalitätsgeschichte zu beantworten in der Lage sind. So manches Kapitel der Rheintaler Regionalgeschichte wird künftig wohl neu geschrieben werden müssen. Gleichermassen werden vergleichende Studien und die benachbarten Landschaften von der Quellensammlung profitieren. Wenn sich Werner Kuster also von der Weitläufigkeit der Kontakte «über den Rhein von Bregenz bis nach Innsbruck und Wien», aber auch mit den schweizerischen Städten, «aus denen hauptsächlich die ehemaligen politischen, wirtschaftlichen und geistlichen Herren des Rheintals stammten» (S. 41), beindruckt zeigt, kann ihm getrost beigepflichtet werden. Und ganz allgemein gilt für derlei historische Grundlagenforschung, dass es sie ist, der die Geschichtsschreibung durch quellenorientierte Rückbindung die empirische Fundierung, also im Grunde sogar den Status als wissenschaftliche Disziplin verdankt.

Zitierweise:
Niederstätter, Alois: Rezension zu: Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins (Hg.), Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, dritter Teil: Die Landschaften und Landstädte. Dritter Band. Die allgemeinen Rechtsquellen des Rheintals, drei Teilbände, bearbeitet von Werner Kuster, Basel, Schwabe, 2018. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 70 (3), 2020, S. 462-463. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00071>.

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